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Alles Theater und nichts als Papier

Geschichte des Papiertheaters

Papiertheater hat eine lange Tradition, in einigen europäischen Museen sind Bühnen zu sehen, die bereits Ende des 18. Jahrhunderts hergestellt wurden. Es entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit zu einer eigenständigen Ausdrucksform und verbreitete sich fast überall in Europa. Das erste komplette Papiertheaterstück mit Dekorationen, Figuren und Text erschien 1811 in England. Zehn Jahre später wurden von deutschen Verlagen die ersten Theaterbogen herausgegeben; es folgten Verlage in Österreich, Spanien, Frankreich und Dänemark.

Mit dem Ersten Weltkrieg geriet das Papiertheater in Deutschland in Vergessenheit, nur in Grossbritannien und Dänemark blieb die Tradition lebendig.
In den 70ern und verstärkt in den 80ern begann mit Reprints alter Bogen, Ausstellungen und später auch Treffen eine Renaissance des Papiertheaters. Begabte Laien und Künstler entdeckten das Medium für sich. Neue Formen wurden entwickelt. So sind heute viele Inszenierungen von Künstlerhand angerfertigte Unikate.
Das Preetzer Papiertheatertreffen ist heute das größte internationale Forum dieser kleinen Bühnen.

„Papiertheater“ ist eigentlich der jüngste von vielen Namen für dieses Medium. Juvenile Drama hieß seine Frühform in England, heute Toy Theatre oder treffender Model Theatre. Dukketeatret in Dänemark, Théâtre de papier in Frankreich, Teatrini di Carta in Italien, spanisch Teatro de los Niños – Kindertheater.
So auch bei uns die gebräuchliche Bezeichnung zur Zeit seiner größten Verbreitung Ende des 19. Jahrhunderts.

Den Namen Papiertheater hat im Bemühen um Systematisierung des umfangreichen Gebietes Figurentheater der große Sammler, Spieler und wohl erste Theoretiker des Papiertheaters Walter Röhler (1911–1974) durchgesetzt, indem er die vielfältigen Erscheinungsformen der kleinen Bühnen auf den gemeinsamen Nenner des vorherrschenden Materials brachte – Papier.
Denn die Proszenien, Kulissen und Figurenbogen sind auf Papier gedruckt. Von den gleichen Druckern und Herausgebern, die auch Flugblätter, Einblattdrucke, Heiligenbilder – eben Bilderbogen, populäre Druckgrafik – produzierten.

Sie, die den wachsenden Hunger nach Bildern mit den „Massenmedien“ des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts fütterten, erspürten auch mit sicherem Geschäftssinn das Bedürfnis nach Theatersouvenirs. Mit der gleichzeitigen Theaterbegeisterung einerseits und dem Rückzug in die eigene Stube andererseits holte sich das Bürgertum ein Abbild des Theatererlebnisses in die eigenen vier Wände. Die Nachfrage nach den Theater-Ausschneidebogen wuchs. Was man im großen Theater gesehen hatte, spielte man auf der eigenen kleinen Bühne nach, von der »höheren Tochter« auf dem Pianola begleitet.

Heute sind die frühen Theaterbogen – wenn nicht von den Bühnenbildnern und Kostümentwerfern selbst gezeichnet, dann doch von ihren Entwürfen abgekupfert – wertvolle Dokumente der Theaterwissenschaft.
„Das Papiertheater ist ein Kind der Romantik“, wird Günter Böhmer, der frühere Direktor der Münchner Puppentheatersammlung, gern und zutreffend zitiert. Genau so richtig ist aber auch: Das Papiertheater ist ein Kind Alois Senefelders. Denn ohne seine Erfindung der Lithographie, die erstmals hohe und damit preiswerte Auflagen ermöglichte, hätte das Papiertheater niemals seine einstmals massenhafte Verbreitung gefunden.

Paper Theatre History

Paper theatre has a long tradition.  It is difficult to name an adequate date for the earliest paper theater, but examples dating from the end of the 18th century can be seen in certain European museums.
At the beginning of the 19th century European art printers began publishing theater prosceniums.  These were inspired by the „legitimate theatre“.  On historic figure sheets we can even recognize the faces of famous actors of the time.  It is apparent that the first paper theatre productions tried to copy actual theatre productions.  The paper theatre soon found its own independent publishing format and spread rapidly throughout Europe.  The first complete paper theatre production with sets, figures, and script appeared in 1811 in England.  About ten years later the first prosceniums appeared from German publishers, followed by publishers in Austria, Spain, France, and Denmark.

After the First World War the interest stagnated, until in the 60's the charm and magic of paper theatres was revived and the practitioners of this century-old hobby prevailed world-wide.
Today there are many places in the world where paper theatre is actively performed.